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Ernst Gugler, Gründer und Geschäftsführer gugler*

Abfall wird zu Nahrung. Das heißt Cradle to cradle – und danach richtet Ernst Gugler sein Unternehmen aus. 2017 hat er Österreichs erstes Cradle to Cradle Gebäude gebaut:95 % der Materialien sind recycelbar (z.B. Holz, Schafwolle), 25 % hatten bereits ein Vorleben (Dämmung mit eigenen Papierabfällen, Reyclingbeton,...). Strom wird mithilfe einer riesigen Photovoltaik-Anlage erzeugt, geheizt wird mit der Abwärme der Druckmaschinen.

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Foto: Gugler-Rita-Neumann Gugler-Rita-Neumann

Cradle to Cradle gilt auch für seine Druckprodukte. Die Inhaltsstoffe aller Materialien sind auf Toxizität und biologische Recyclingfähigkeit geprüft und „positiv“ bewertet. Gugler: „Das ist weit mehr als das berühmte „frei von…“, denn das bedeutet nur frei von Stoffen, die auf der schwarzen Liste stehen, nicht aber frei von anderen Stoffen, die noch nicht geprüft wurden. Dazu ist immens viel Forschungsarbeit notwendig, die wir als einzelnes Unternehmen nicht stemmen könnten. Daher haben wir 2015 die ‚Print the Change Community‘ gegründet und entwickeln mit Partnern in Dänemark und der Schweiz Cradle to Cradle-Produkte gemeinsam und transparent weiter. Mit unseren Erkenntnissen revolutionieren wir gerade die Druckindustrie.“

BUSINESSART: gugler* hat das Firmenareal in Melk erweitert. Das neue Betriebsgebäude ist das erste Cradle to Cradle inspirierte Plusenergie Gebäude in Österreich. Was ist das Besondere daran?

Ernst Gugler: Die Philosophie von Cradle to Cradle heißt übersetzt, dass Abfall zu Nahrung für Neues wird. Konkret sind 95 % der eingesetzten Materialien wiederverwertbar, 25 % hatten bereits ein Vorleben. So sind die Wände beispielsweise mit Zellulose aus eigenen schadstofffreien Cradle to Cradle-Papierabfällen gedämmt, die Außenfassade ist mit alten Druckplatten aus Aluminium verkleidet, das Fundament ist aus Recyclingbeton mit Glasschaumdämmung aus Recyclingglas. Dazu kommen neue ökologische Materialien wie Holz, Schafwolle und Mineralschaumplatten, die einmal leicht wieder verwertet werden können.

Neben den verwendeten Materialien steckt auch jede Menge an intelligenter Energietechnik im Haus.

Herzstück ist natürlich die 148 kWp PV Anlage am Dach des Hauses, die mehr Energie erzeugt als das Gebäude für seinen alltäglichen Betrieb verbraucht. Für die Heizung wird die Abwärme der Druckmaschinen genutzt. Wichtig dabei ist unser ausgefeiltes Energie-Monitoring-System, mit dem wir jetzt alle Energieflüsse genau beobachten und im Sinne der Ökoeffizienz jederzeit optimieren können.

Was waren beim Neubau die größten Herausforderungen?

Es ist schwierig, den höchsten ökologischen Standard finanziell zu stemmen. Letztlich mussten wir kleinere Abstriche machen und zum Beispiel auf Humustoiletten verzichten. Aber man muss einfach in allen Bereichen bei seinen Werten bleiben. Eine simple Blechhalle hätten wir um vieles billiger bekommen, die passt aber nicht zu unserem Qualitätsanspruch. Vor allem aber mussten wir den begrünten Turm verschieben: unser Erweiterungsbau für Ausstellungen, Zukunfts-LAB, Akademie und öffentliches Bistro - und damit Teil III des Gesamtkonzeptes von gugler*s Sinnreich.

Du wurdest für deinen ökologischen Anspruch schon vielfach ausgezeichnet und warst auch schon öfters zu Gast bei den Nachhaltigen GestalterInnen, 2011 haben dich die ExpertInnen für die Entwicklung von völlig schadstofffreien Druckprodukten sogar auf den ersten Platz gewählt. Wie hat sich dein Unternehmen seither weiterentwickelt?

Ein wesentlicher Meilenstein war natürlich die Implementierung des Cradle to Cradle Systems für unsere Druckprodukte. Wir schauen sehr genau auf die Inhaltsstoffe in den von uns verwendeten Materialien. Sie sind alle auf Toxizität und biologische Recyclingfähigkeit geprüft und „positiv“ bewertet. Das ist weit mehr als das berühmte „frei von…“, denn „frei von…“ bedeutet nur frei von dem einen offiziell als schädlich definierten Stoff, nicht aber frei von anderen Stoffen, die nur noch nicht geprüft wurden und deshalb noch nicht auf der schwarzen Liste stehen. Dazu ist immens viel an Forschungsarbeit zu leisten, die wir als einzelnes Unternehmen nicht stemmen könnten. Daher haben wir 2015 die ‚Print the Change Community‘ gegründet und Partner in Dänemark und der Schweiz gewinnen können, Cradle to Cradle-Produktegemeinsam und transparent weiterzuentwickeln. Unsere Erkenntnisse fließen derzeit in die Serienproduktion ein, wir revolutionieren gerade die Druckindustrie.

Wenn von Revolution in der Druckbranche die Rede ist, denkt man eher daran, dass zukünftig eher weniger gedruckt wird, weil immer mehr digital gelesen wird. Was macht dich so optimistisch?

Der digitale Messias hat sein Versprechen nicht gehalten, als er uns prophezeit hat, dass das gedruckte Buch verschwinden wird. Der digitale Anteil bei den Büchern liegt seit vielen Jahren konstant bei zehn Prozent. Heute tritt sogar so etwas wie eine digitale Ermüdung ein. Das ‚Luxusgut Print‘ ist auch bei Zeitungen und Magazine wieder im Kommen, weil sie entschleunigen und ehrlicher sind als die digitalen, flüchtigen Medien. Trotzdem sind wir natürlich auch im digitalen Feld tätig und hier seit letztem Jahr ziemlich einmalig, wenn es um barrierefreie Websites geht.

Ernst, ich kenne dich jetzt schon einige Jahre wenn nicht Jahrzehnte und du bist immer vorne dabei, wenn es um nachhaltige Entwicklungen geht. Gibt es ein Schlüsselerlebnis, das dich auf diesen Weg gebracht hat?

In meiner Jugend waren der saure Regen und der Kampf um die Hainburger Au ganz starke Impulse. Besonders inspiriert hat mich jedoch der Umweltschützer Dr. Erhard Kraus, der beim WWF und danach in der Naturschutzabteilung des Landes NÖ gearbeitet hat, wo er sich unter anderem um die Renaturierung der Melk und der Pielach verdient gemacht hat. Da bin ich wach geworden. Wenn wir sehen, wie es heute in der Welt zugeht – Krieg, Schmerzen, Klimawandel, Insektensterben und all das, was unseren Planeten zerstört - dann können wir nicht mehr auf die Politik warten, sondern müssen bei uns selber anfangen und aktiv werden.

Apropos Politik: Welche Wünsche hast du an die neue Bundesregierung?

Es ist traurig und beschämend, dass das wichtigste Zukunftsthema, der Klimawandel, gar nicht mehr vorkommt. Diese Ignoranz wird uns noch Unsummen an Geld kosten. Es ist unverantwortlich, welche Welt wir unseren Kindern hinterlassen. Die Politik muss endlich anfangen, in Generationen zu denken und nicht in Legislaturperioden.

Und wie sieht es mit deinen ganz persönlichen Wünschen und Träumen aus?

Nach so vielen Jahren würde ich gerne einmal kleinere Auszeiten haben, zu mehr inneren Ruhe finden, ins Sein kommen und nicht mehr so von Erfolg, Leistung und Wettbewerb getrieben sein. Für das Unternehmen wünsche ich mir, dass wir noch stärker zu einem Team werden, zu einem Wir-Gefüge, zu einem Ort, an dem die Menschen ihre ganze Größe entfalten können. Wir brauchen eine große Gemeinschaft, um die großen Probleme zu lösen.

Gugler GmbH, Melk

  • Gegründet: 1989
  • Branche: Kommunikation
  • MitarbeiterInnen: 100
  • www.gugler.at