Für die Nachhaltigkeit Feuer fangen
Klimaschutz ist kein Partikularinteresse, es ist eine Demokratiefrage.
Vier Nachhaltige Gestalterinnen, vier Zugänge zum Thema? Nein! Zwar verwenden sie unterschiedliche Methoden. Doch sowohl das Argumentarium als auch die Wertschätzung, die Monika Auer, Tina Deutsch, Katharina Rogenhofer und Roswitha Reisinger beim Gespräch in den Räumlichkeiten von respACT an Nachhaltigkeit Interessierten mit auf den Weg geben, unterstützen und bestärken jene, die für ökologische, soziale und wirtschaftliche Weiterentwicklung brennen.
Sylvia Brenzel: Wir erleben gerade, dass Nachhaltigkeit nicht im Aufwind ist. Trotzdem ist während meines Berufslebens vieles passiert, das ich mir nicht einmal erträumt hätte. Was zieht sich bei deinem durch?
Roswitha Reisinger: Mein Schlüsselmoment war, als ich hochschwanger mit meinem zweiten Kind war. Das erste war zweieinhalb. Ich habe in einer 35-Quadratmeter-Wohnung gelebt. Und dann kam Tschernobyl. Wir konnten wochenlang nicht raus. Nicht in Sandkisten spielen. Wir mussten die Ernährung umstellen. Es gab keine frische Milch, nur importiertes Obst und Gemüse. Alles war verstrahlt, es war wirklich ein Albtraum und eine extrem schwierige Zeit für mich. Da habe ich entschieden, mich auch beruflich für das Thema Nachhaltigkeit zu engagieren und einen Beitrag zu leisten, damit so eine Katastrophe wie Tschernobyl nicht mehr passiert.
Erst jetzt in der Retrospektive ist mir bewusst geworden, dass ich in all meinen Jobs – bei der Umweltberatung, bei der Unternehmensberatung, Bio Austria und schließlich dem Lebensart Verlag – an den Schnittstellen von Bildung, Information und Nachhaltigkeit gearbeitet habe.
Es berührt mich sehr, wo wir jetzt stehen. Es ist dramatischer als in den 1980er-Jahren. Da gab es verschmutzte Flüsse, sterbende Wälder, das war noch relativ leicht zu reparieren. Die 1,5 Grad (um die sich das Klima höchstens erwärmen darf, um Katastrophen für Menschen und Ökosystem in Grenzen zu halten, Anm.) sind aus meiner Sicht nicht mehr erreichbar. Trotzdem mache ich, was ich tun kann.
Brenzel: Wenn du eine Fahne für die Nachhaltigkeit hochhalten würdest: Was stünde darauf?
Reisinger: Etwas Positives, ein schönes Bild, das alle mitzieht.
Brenzel: Dranbleiben. Liebe Monika, du bist ja auch schon lange dabei. Was ist der rote Faden in deinem beruflichen Tun?
Monika Auer: Bei mir hat es sehr früh begonnen. Ich dachte mit sieben Jahren zum ersten Mal, da läuft etwas falsch. Wir sind im Winter hinter einem Auto hergefahren, da kamen die Abgaswolken raus. Ich war beunruhigt, habe aber gedacht: ‚Die Erwachsenen werden schon wissen, was sie tun.‘ Mit 16 habe ich gedacht: ‚OK, sie wissen es nicht.‘ Das war der Start für meine ersten Kontakte zu NGOs und Bürgerinitiativen.
Mit 27 begann ich bei der ÖGUT (Österreichische Gesellschaft für Umwelt und Technik, Anm.) Da konnte ich Menschen, die gemeinsam an Problemen arbeiten oder Konflikte lösen wollen, an einen Tisch holen. Ich war immer ein Gruppenmensch, das begleitet mich bis heute.
Brenzel: Was ist dein Herzensanliegen?
Auer: Ein großes Anliegen ist mir die Dekarbonisierung des Wohngebäudebestandes. Noch mehr aber ist es das Thema Partizipation, also gemeinsam mit Betroffenen Lösungen zu entwickeln. Das ist auch der Grundgedanke der ÖGUT. Heute bewegt mich die Demokratie am meisten. Wie spricht man miteinander? Offen, wertschätzend, auf Augenhöhe, um Probleme zu lösen? Mir ist wichtig, dass diese Qualitäten wieder verankert werden und man wieder zuhört.
Ich würde alle davon entlasten, perfekt sein zu müssen. Im jetzigen System ist das gar nicht möglich.
Katharina Rogenhofer
Reisinger: Das ist die Basis für nachhaltiges Tun.
Auer: Ja. Wir brauchen ein politisches Commitment. Das haben wir im Moment nicht. Es ist auch schwer herstellbar. Uns erodiert die demokratische Basis für die Maßnahmen, die wir brauchen.
Brenzel: Auf Augenhöhe und gemeinsam findet man klügere, weisere Lösungen.
Auer: Genau. Die Kolleg*innen, die den Klimarat der Bürger*innen begleitet haben, berichteten oft mit nassen Augen davon. Sie fanden es bewegend, wie Personen, die vorher mit dem Thema überhaupt nichts am Hut hatten, plötzlich richtig Feuer fangen, weil sie auf Augenhöhe und wertschätzend Fakten und Werkzeuge zum gemeinsamen Arbeiten erhalten.
Brenzel: Wenn du eine Schokolade verschenken würdest: Was würde auf der Schleife stehen?
Auer: Ich mach es mir leicht. Auf der Rückseite, in Richtung Vergangenheit, steht einfach: Danke. Und vorne, in die Zukunft gewandt, zitiere ich das ÖGUT-Motto unseres heurigen Jahresempfangs: ‚Verbinden, erfinden, verändern.‘
Brenzel: Katharina, du brennst, obwohl die Jüngste in der Runde, auch schon seit Jahren für den Klimaschutz. Wie kam das?
Rogenhofer: Auslöser waren zwei Dinge. Ich liebe die Natur. Ich liebe es rauszugehen. Schon als Kind hat mir meine Mutter gezeigt, was um uns herum kreucht und fleucht. Ich habe Zoologie studiert, habe mir wissenschaftlich angesehen, wie sich Lebensräume von Tieren mit der Klimakrise verschieben. Das war das erste Mal, wo ich gespürt, gesehen und gemessen habe: ‚Hey, da verändert sich viel.‘ Mich hat auch bewegt, dass die wissenschaftlichen Erkenntnisse, die auf mich so eindringlich gewirkt haben, in der Bevölkerung und vor allem in der Politik nicht angekommen sind. Bis dahin war ich ein sehr unpolitischer Mensch. Mir waren Demos eher zuwider. Bis zu dem Zeitpunkt, an dem ich gemerkt habe, es gibt Themen, um die sich niemand kümmert.
Dann stand die Entscheidung an, bleibe ich in der Wissenschaft oder engagiere ich mich gesellschaftspolitisch. Ich habe mich für Zweiteres entschieden. Bei meiner Arbeit für die UN und der ersten Klimakonferenz 2018 in Katowice in Polen habe ich gemerkt, dass solche Konferenzen nicht der Ort sind, wo die mutigsten Entscheidungen getroffen werden. Es ging um viele technische Details, Streit zwischen den Ländern, es ging nur zäh voran. Vor den Konferenzsälen aber saßen viele Menschen aus der Zivilgesellschaft, die aktiv waren. Mit ihnen war ich bei meinem ersten Klimaprotest und habe danach mit zwei weiteren Personen beschlossen: Das braucht es auch in Österreich – und habe Fridays for Future gegründet. Ich, die vorher kaum auf Demos war, hat im Dezember 2018 bei der Polizei die erste Demo angemeldet. Es waren 60 Leute da, es war eiskalt. Wir haben es noch für eine sehr gute Idee gehalten, sechs Stunden lang zu streiken. Gott sei Dank hatten einige Thermoskannen mit Tee mit. (lacht)
Es gibt Gegenwind. Aber fünf Prozent einer Gesellschaft reichen aus, um langfristig einen Wandel herbeizuführen. Über diese fünf Prozent sind wir weit hinaus.
Monika Auer
Brenzel: Was hat dich motiviert, dranzubleiben?
Rogenhofer: Dass gleichzeitig in über 100 Ländern so viele Leute aufgestanden sind und es die größte Protestbewegung der Welt geworden ist, hat mir Hoffnung gemacht. Ich habe zum ersten Mal gemerkt: Wir haben dem globalen Problem eine globale Lösung entgegenzusetzen. Mit dem Klimavolksbegehren wollte ich die Forderungen der Wissenschaft ins Parlament tragen. Damit waren wir erfolgreich. Bis 2040 Klimaneutralität, ein nationaler CO2-Preis, all das ist danach eingeführt worden. Da war ein Aufschwung zu spüren.
Jetzt sehen wir zwar leider eine Bewegung in die andere Richtung. Klar ist aber: Klimaschutz ist kein Partikularinteresse, es ist eine Demokratiefrage. Da gibt es den autokratischen Populist Trump, der mit 'Drill Baby Drill' in die fossile Vergangenheit zurücksteuert und mit Zöllen de facto einen Wirtschaftskrieg führt, auf der einen Seite – und ein Vakuum in Europa auf der anderen. Es traut sich kaum jemand, wirtschafts- und demokratiepolitisch visionär zu sein. Es macht mich wütend, dass Engagement in vielen Parteien zu einer Art Nachfrage-Angebots-Politik verkommen ist. Nach dem Motto: ‚Wir schauen mal, was die Menschen wollen und machen Politik danach.‘ Politiker*innen sollten sagen, wofür sie stehen und Mehrheiten dafür schaffen – und nicht andersherum. Gerade in einem starken, unabhängigen Europa.
Brenzel: Wenn du im Parlament ein Banner aufhängen könntest, was würde darauf stehen?
Rogenhofer: Aktiv werden! Populismus und Desinformation sollen uns müde machen und immer unpolitischer werden lassen. Deshalb steht auf meinem Banner: Macht's was! Alle, in allen Bereichen!
Reisinger: Genau! Aktiv sein.
Brenzel: Tina, was lässt dich so engagiert sein?
Tina Deutsch: Mein Leben hat ein intensiver Gerechtigkeitssinn geprägt. Das ist auch mein Treiber beim Klima- und Nachhaltigkeitsthema. Da geht es um die Schere zwischen Arm und Reich, um Genderfragen, um wirtschaftliche Gerechtigkeit, überall spielt die Klimafrage rein und verstärkt die Probleme noch.
Ich wollte immer schon die Welt verstehen, war neugierig, habe Volkswirtschaft studiert und eine Corporate-Karriere hinter mir. Da habe ich gespürt, dass Führung und Kommunikation oft keine Haltung zugrunde liegen. Nicht nur die Politik, auch die Wirtschaft sollte ihre Angebote nicht ausschließlich an der Nachfrage ausrichten. Gute Führungskräfte sind Multiplikator*innen, die etwas in die Welt hinaustragen und nicht nur ein Produkt skalieren. Ich habe mein erstes Unternehmen gegründet, weil ich das anders machen wollte. Es gibt ja einen Ripple-Effekt, wenn es Menschen gut geht mit dem, was sie tun. Dann bringen sie das in ihre Familien und letztlich geht es allen im Ökosystem besser.
Bei mir ziehen sich Change Management und Kommunikation durch. Oft geht es gar nicht darum, was man kommuniziert, sondern wie man es transportiert und man Menschen dazu bekommt, die Welt anders zu betrachten.
Brenzel: Auf einer Seite deiner Visitenkarten stehen deine Kontaktdaten, was steht auf der anderen Seite?
Deutsch: Redet miteinander! Die Polarisierung wirkt im virtuellen Raum viel größer als sie es in der analogen Welt eigentlich ist.
Brenzel: Eure Treiber sind auch Sorgen, um nicht zu sagen Schocks oder schlimme Erfahrungen. Welche zeigen sich bei dir? Und wo sind wir gar nicht so weit von Lösungen entfernt?
Auer: Mir macht Mut, dass wir alles haben, was wir brauchen, um die größten ökologischen Krisen zu bewältigen. Wir haben die Technologien. Was aber verschwinden könnte, sind die Unternehmen dazu. Diese Sorge habe ich wieder, Europa hat schon mehrmals seine Innovationskraft am Weltmarkt verspielt.
Martina Madner: Da würde ich gerne einhaken, in welchen Bereichen haben wir wirtschaftliche Chancen ganz konkret verspielt?
Auer: Die Photovoltaik-Industrie geht in Deutschland jetzt schon zum zweiten Mal den Bach runter. Bei Batterietechnologien und E-Autos ist es ähnlich.
Reisinger: Stimmt. Aber bei der Umwelt-Technologie sind wir in Österreich nach wie vor gut. Da könnten wir wieder führend werden, wenn die Politik fokussiert unterstützen würde.
Gute Führungskräfte sind Multiplikator*innen, die mehr in die Welt hinaustragen als ein Produkt.
Tina Deutsch
Auer: Ja, die wächst und es wird viel exportiert!
Rogenhofer: Das wäre ein vielversprechender Ansatz für die Industriestrategie.
Brenzel: Ich höre einen Appell, wach zu sein und an den richtigen Stellen anzusetzen.
Reisinger: Was mir Hoffnung macht, das seid ihr, Katharina und Tina. Als 2015 die Sustainable Development Goals und das Klimaabkommen kamen, war da, was ich die ganze Zeit wollte: politische Rahmenbedingungen, die Nachhaltigkeit stärken. Dann kam Fridays for Future. Ich dachte: Wow, das ist eine weltweite Bewegung von jungen Leuten! Ihr bringt wieder Dynamik rein! Wir sind am richtigen Weg!
Dann kam die Pandemie als erster Break. Mit dem Krieg in der Ukraine der zweite und jetzt sind immer mehr Autokraten an der Spitze. Sie treffen ihre Entscheidungen nicht mehr wissenschaftsbasiert. Im Gegenteil, sie bezeichnen wissenschaftliche Erkenntnisse als Fake News. Und die nachhaltige Bewegung ist plötzlich so still. Wisst ihr, wie man sie wieder in Bewegung setzen kann?
Rogenhofer: Mich stärken zwei Dinge: Einerseits wachsen Zukunftstechnologien exponentiell, insbesondere am Weltmarkt. Die Ökologisierung ist der Megatrend nach der Digitalisierung. Die Frage ist nur mehr, wie schnell sie kommen wird und ob wir in Europa mit dabei sind – oder in die industrielle Bedeutungslosigkeit abrutschen. Zweitens werden bei Umfragen aktuell zwar die Teuerung und Ähnliches als die dringlichsten Themen wahrgenommen, Klimaschutz ist aber immer noch ein großes Anliegen. Gerade in Institutionen und in Unternehmen erlebe ich, wie viele Menschen die notwendigen Maßnahmen weiter vorantreiben, auch wenn es im öffentlichen Diskurs leiser geworden ist. Wenn man einen Kochtopf mit Wasser auf den Herd stellt, kocht es ja nicht gleich. Es bilden sich Bläschen, bevor es richtig zum Brodeln anfängt. Wir sind jetzt in einer Phase, in der man es noch nicht kochen sieht, aber die Bläschen schon da sind.
Auer: Es gibt Gegenwind. Aber fünf Prozent einer Gesellschaft reichen aus, um langfristig einen Wandel herbeizuführen. Über diese fünf Prozent sind wir weit hinaus. Ich bin da eigentlich sehr optimistisch.
Madner: Warum spiegeln sich diese fünf Prozent plus so wenig in Wahlergebnissen wider? Warum punktet das Gegenteil mit knapp 30 Prozent der Stimmen?
Auer: Umwelt und Klima sind nicht alleine wahlentscheidend.
Deutsch: Trotzdem gibt es die Menschen, die sich wegen des Schwunds der Demokratie sorgen. Das zeigen in den USA zum Beispiel die großen ‚No-Kings‘-Demos. Das gibt mir Hoffnung. Und fast alle Parteien sehen, dass sich ihre Hauptanliegen am besten in Kombination mit der Ökologisierung lösen lassen. Wenn du soziale Gerechtigkeit oder die Wirtschaft fördern willst, kannst du das mit Nachhaltigkeit. Zukunftstechnologien könnten der USP Österreichs sein.
Zwar hat das Vertrauen in die Politik stark abgenommen, in die Wirtschaft aber nicht. Es ist eine Chance für Unternehmenslenker*innen, diese Corporate Political Responsibility wahrzunehmen. Es ist vielen nur noch nicht bewusst, dass die Wirtschaft enorm viel zu Nachhaltigkeit beitragen kann.
Brenzel: Themenwechsel: Wann hast du zuletzt etwas richtig Unnachhaltiges gemacht, für dein Dafürhalten?
Auer: Ich habe mich gedanklich von einer zentralen und nicht-fossilen Wärmeversorgungslösung für meine Wohnung verabschiedet, weil ich das nur mit 40 Miteigentümer*innen gemeinsam entscheiden könnte. Deswegen werde ich die alte noch einmal gegen eine neue Gasheizung tauschen müssen. Eine Niederlage.
Reisinger: Ich war vor fünf Jahren in der gleichen Situation. Die Therme in der Wohnung unter uns wurde im Dezember kaputt. Alle Geräte mussten sofort gegen neue ausgetauscht werden, weil es ja kalt war. Da gab es keine Chance auf eine Diskussion über Alternativen.
Was mir Hoffnung macht, das seid ihr, Katharina und Tina! Es gibt jetzt zwar Breaks, aber mit Fridays for Future kam wieder Dynamik rein in die nachhaltige Entwicklung!
Roswitha Reisinger
Rogenhofer: Ich würde alle davon entlasten, perfekt sein zu müssen. Im jetzigen System ist das gar nicht möglich. Klimaschädliches ist die Norm, es ist oft unkomplizierter und meistens billiger. Die Aufgabe der Politik ist also, das zu verändern, damit klimafreundliches Verhalten zur Norm wird und sich alle dafür entscheiden können. Denn ich kann als Einzelne nicht entscheiden, wohin Züge und Busse fahren und wie lange Österreich noch Öl und Gas importiert. Deshalb ist es wohl am wichtigsten, gemeinsam mit anderen die notwendigen politischen Maßnahmen einzufordern.
Deutsch: Dass ich selbstausbeuterisch arbeite, ist meine unnachhaltigste Entscheidung. Aber das betrifft nicht nur mich: Wir machen uns zu viel Druck – und das bei einem Thema, das wir sowieso nicht allein lösen können. Es geht nicht darum, zu kompensieren, was viele andere, teilweise auch absichtlich, falsch machen. Dringlichkeit kann zwar ein Ansporn sein, aber zu viel davon kann lähmen. Wenn wir uns zusammentun, einander unterstützen und die Kraft unseres vielfältigen Handelns spüren, können wir etwas Druck aus unserer Arbeit herausnehmen.
Rogenhofer: Was mich auch sehr beschäftigt, ist, wie klar sagen wir, was es braucht? Rein naturwissenschaftlich ist das, was wir tun, nicht genug. Ich kann aber nicht allen sagen: Du machst zu wenig. Es ist eine schwierige Balance, Zuversicht zu geben, miteinander konstruktiv zu arbeiten, zugleich aber auch der Dringlichkeit gerecht zu werden. Wenn mein Gegenüber abschaltet, sorgt das jedenfalls nicht für mehr Nachhaltigkeit.
Auer: Was mir persönlich wirklich wehtut, ist, wenn Menschen, die sich anstrengen, nachhaltig zu leben, diskreditiert werden, wenn sie zum Beispiel auch mal ein Auto oder Flugzeug benutzen. Da heißt es oft, man predigt Wasser und trinkt Wein. Diese Unsitte sollte man abstellen. Ich bin auch nur ein Mensch, der die wenige verbleibende Freizeit nicht nur dafür verwenden will, um nach kreislauffähig hergestellter Kleidung zu suchen.
Reisinger: Das ist eine Taktik, die bewusst eingesetzt wird. Da geht es nicht um eine Diskussion über das Thema, sondern darum, das, was du sagst, abzuwerten.
Rogenhofer: Ein konkretes Beispiel: Die Kronenzeitung hat einmal den angeblichen Skandal aufgedeckt, dass ich Bananenbrot gebacken habe. Und ich habe gesagt, ich back gerne kein Bananenbrot mehr, wenn Österreich die 5,7 Milliarden klimaschädigende Subventionen streicht. Das zeigt, wie absurd solches Skandalisieren ist.
Reisinger: Was mich sehr interessiert, ist: Wie kann man insbesondere junge Menschen, die schon von Nachhaltigkeit infiziert sind, unterstützen?
Deutsch: Mich bestärkt die Diskussion hier in meiner Überzeugung. Manchmal wirkt es vielleicht nicht so, aber wir sind ganz viele. Wir müssen die Schrittmacher*innen der Ökologisierung, die noch nicht in der ersten Reihe stehen, stärken und sichtbar machen.
Rogenhofer: Und wir müssen allen, die etwas bewegen wollen, dafür die Argumente in die Hand geben.
Madner: Monika, Roswitha, was stärkt euch?
Auer: Aufs und Abs hat man immer wieder. Das ändert nichts daran, dass ich an diesem Thema arbeiten will. Meine Grundhaltung ist hier eher Stubborn Optimism, das hilft gegen die Abs. Mich stärkt die Überzeugung, dass wir Krisen solidarisch begegnen können, dazu müssen wir im Gespräch bleiben. Eine Botschaft noch an Unternehmen: Schaut, dass die Frauen bei euch bleiben! Es gibt in Naturwissenschaft und Technik sehr viele gut ausgebildete Frauen, aber eine hohe Drop-out-Rate, weil die Arbeitskultur in Unternehmen nicht zu ihnen passt.
Reisinger: Ich bin jetzt in Pension. Ich muss nicht weitermachen, aber ich werde weiter aktiv sein und vor allem vernetzen. Was mir Mut macht, sind die vielen Manager*innen und Unternehmer*innen, die zum Beispiel in „meiner“ letzten BUSINESSART deutlich gesagt haben, dass sie Haltung zeigen und dranbleiben. Das gibt mir Hoffnung!
Moderation: Sylvia Brenzel, Redaktion: Martina Madner, Fotos: Elke Mayr
Roswitha Reisinger, Eigentümerin des LEBENSART Verlags
Roswitha Reisinger engagiert sich seit 1988 auch beruflich für eine nachhaltige Entwicklung in Österreich. Sie war am Aufbau der Umweltberatung maßgeblich beteiligt und orchestrierte danach als Geschäftsführerin des Ernte-Verbandes den Zusammenschluss zahlreicher Bioverbände zum Dachverband Bio Austria. 2005 gründete sie gemeinsam mit ihrem Mann den LEBENSART Verlag und spezialisierte sich auf das Thema Wirtschaft und Nachhaltigkeit. Mit einem Business-Newsletter (seit 2008), mit der Auszeichnung der „Nachhaltigen Gestalter*innen“ (seit 2009) und dem nachhaltigen Wirtschaftsmagazin BUSINESSART (seit 2012) setzte sie Meilensteine in der Kommunikation nachhaltiger Wirtschaftsthemen und schaffte eine Bühne für zahlreiche nachhaltig agierende Manager*innen und Unternehmer*innen in Österreich.
Katharina Rogenhofer und Tina Deutsch, Gründerinnen und Vorständinnen des Kontext-Instituts für Klimafragen
Das Kontext-Institut hat sich mit fundierten Analysen, klaren Lösungsansätzen und aktiver Medienarbeit als unverzichtbare Stimme im österreichischen Klimadiskurs etabliert. Als unabhängiges Institut schafft es Orientierung in komplexen Themenfeldern und leistet damit einen wichtigen Beitrag zur sachlichen und lösungsorientierten Auseinandersetzung mit der Klimakrise. In einer häufig von Polarisierung und Machtinteressen geprägten Debatte ordnet Kontext ein, differenziert und zeigt konkrete Handlungsmöglichkeiten auf – und schafft so eine wichtige Basis für Veränderung.
Monika Auer, Generalsekretärin und Geschäftsführerin der Österreichischen Gesellschaft für Umwelt und Technik (ÖGUT)
Monika Auer arbeitet in der ÖGUT daran, Nachhaltigkeitsthemen durch Kooperation, Interessenausgleich, Forschung und Know-how-Transfer voranzutreiben. Seit 1995 als Mitarbeiterin und seit 2014 als Generalsekretärin und Geschäftsführerin hat sie mit ihrem Team die Themenfelder Energie, Nachhaltiges Bauen, Kreislaufwirtschaft, Sustainable Finance, Gender und Diversität sowie Partizipation konsequent und mit höchster Kompetenz aufgebaut und damit an der Schnittstelle von Umwelt, Wirtschaft und Verwaltung viel bewegt. Ihre Arbeiten zum Thema Energiecontracting führten 2003 zur Gründung der DECA (Dienstleister Energieeffizienz und Contracting Austria), deren Geschäftsstelle sie 15 Jahre lang leitete. Darüber hinaus bringt sie ihr Know-how vielfach in Jurys, Vereinsvorständen, Aufsichtsräten und in der Aus- und Weiterbildung ein.
Sylvia Brenzel ist Mitgründerin von PLENUM und berät Unternehmen dabei, ihren wesentlichen Beitrag zu einer nachhaltigen Gesellschaft zu finden. Sie leitet zudem die PLENUM AKADEMIE und hat den ersten CSR-Lehrgang in Österreich mitaufgebaut. www.plenum.at
respACT - austrian business council for sustainable development - ist Österreichs führende Unternehmensplattform für verantwortungsvolles Wirtschaften. Der Verein vernetzt mittlerweile mehr als 450 Mitgliedsunternehmen, fördert Wissenstransfer und schafft Raum für Erfahrungsaustausch – auch in internationalen Nachhaltigkeitsnetzwerken. www.respact.at