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Es geht nicht darum, ob ich einen SUV oder einen Mittelklassewagen fahre

Christian Plas zeigt auf, wie unser Konsumverhalten den Klimaschutz beeinflusst und welche Rolle die Kreislaufwirtschaft dabei spielt.

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Herr Plas, wir haben über die Dekarbonisierung gesprochen und wie diese zu Problemen mit der Biodiversität führen kann. Wie können wir dieses Dilemma auflösen, dass wir einerseits mehr von der Natur benötigen – sie aber auch nicht schädigen wollen?

Christian Plas: Es ist sicherlich nicht trivial. Aber wenn wir mehr Rohstoffe aus der Natur ziehen wollen, dann müssen wir die Effizienz des Anbaus steigern. Unsere bisherige Antwort auf diese Herausforderung war der Aufbau von Monokulturen, riesigen Flächen, auf denen nur eine Pflanze angebaut wird, oder Wälder, die auch nur eine Baumsorte kennen. Diese Antwort kann in Zukunft nicht mehr gelten: Monokulturen sind ökologisch nicht stabil, sie tragen zum Artensterben bei, und sie sind nicht besonders resilient gegen den Klimawandel und Schädlinge. Hier müssen wir andere Antworten finden. Eine ist sicherlich, dass wir versuchen müssen, die Versiegelung von Flächen zu verlangsamen oder gar umzukehren.

Wie ist da der Stand in Österreich derzeit?

Österreich ist Weltmeister in der Bodenversiegelung. Wir haben in der Zwischenzeit aber immerhin Zielsetzungen, uns zu verbessern: Wir wollen auf 20 bis 25 Prozent dessen, was wir derzeit versiegeln, herunterkommen.

Ein Ende der Flächenversiegelung wird wohl kaum reichen.

Nein. Wir müssen uns selbst ändern, vor allem unser Konsumverhalten. Stichwort Ernährung: das, was wir essen, hat eine große Auswirkung auf unseren persönlichen ökologischen Fußabdruck. Hier sollten wir von einer fleischreichen zu einer zumindest fleischärmeren Ernährung kommen. Das sind tiefgreifende Veränderungen, die auch stark ins Persönliche eingreifen. Um es mit der Mobilität zu sagen: Es geht nicht darum, ob ich einen SUV oder besser einen Mittelklassewagen fahre, sondern darum, gar kein Auto mehr zu haben und mit den öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs zu sein.

Aber nicht nur in der Ernährung müssen wir den Bedarf an Rohstoffen reduzieren und damit den Druck auf das Ökosystem verringern, das System entlasten. Eine Schlüsselrolle spielt dabei sicher die Kreislaufwirtschaft.

Um was geht es da konkret?

Es geht um das Schließen von Stoffkreisläufen. Wir müssen uns aber zunächst vor Augen führen: von den fossilen Rohstoffen, die wir nutzen, werden 93 % für Energie und Treibstoff verwendet. Nur sieben Prozent werden als Werkstoff benutzt. Das klingt erstmal wenig, aber es ist noch immer eine große Menge an Material und ein wichtiger Schlüssel für die Dekarbonisierung. Denn wir wollen auch diese sieben Prozent nun aus nachwachsenden Rohstoffen gewinnen. Das wird natürlich umso leichter, je mehr wir den Bedarf reduzieren können. Und das gelingt am besten, indem wir Dinge nicht nur einmal benutzen, sondern aufbereiten und immer wieder nutzen.

„Der Rahmen, mit dem wir die letzten 100 Jahre gearbeitet haben, passt nicht mehr.“ 

Wer sind denn die Akteure, die das etablieren können? Momentan sind wir ja von einer Kreislaufwirtschaft noch weit entfernt.

Absolut. Für die Kunststoffwirtschaft ist es traditionell schwer, Sekundärmaterialien einzusetzen, also etwas nochmal als Material zu verwenden. Das liegt an den Kosten der Sammlung und der Wiederaufbereitung. Es ist einfach viel günstiger, Primärmaterialien zu nutzen – da sind wir wieder bei den Spielregeln, die wir in unserer Ökonomie haben. Hier braucht man staatliche Regeln, zum Beispiel, dass man einfach einen gewissen Anteil an Sekundärmaterialien bei der Herstellung von bestimmten Produkten vorschreibt. Da wird in den nächsten zehn Jahren sicher viel passieren.

Was stimmt Sie da so positiv?

Zum einen ist das Thema Plastik und Müll gerade stark in den Medien vertreten, und so gelangt es ins Bewusstsein einer Gesellschaft. Zum anderen sehe ich, dass viele Unternehmen sich bereits ernsthaft damit beschäftigen.

Gibt es denn auch die Gefahr, dass Unternehmen eben woanders produzieren, wenn hier die staatlichen Regularien zu streng werden?

Ganz im Gegenteil: ich habe den Eindruck, dass sich Unternehmen dem Thema Kreislaufwirtschaft mit mehr Ernsthaftigkeit widmen als die Politik. Dort wird auf Mengen geschaut: wo sind denn unsere größten Stoffströme, wo können wir durch Wiederaufbereitung einen großen Impact haben? Gerade im Baubereich ist da momentan vieles im Gange. Die Politik hingegen fokussiert sich eher auf Plastiksackerl und Kunststoffflaschen, obwohl diese mengenmäßig fast gar keine Bedeutung haben. Aber es gibt auch noch eine zweite Dimension, die den Zugang zu dem Thema in Österreich erschwert.

Welche wäre das?

Ich bin aufgewachsen in einer Zeit, in der das Thema Altlasten eine große Rolle spielte – das war zurecht für lange Jahre das primäre Thema der österreichischen Umweltpolitik. Wir haben aus dieser Zeit eine sehr ausgeklügelte Abfallgesetzgebung, die das Verschmutzen der Umwelt mit Abfällen verhindert. Diese Themen haben wir damals auf diese Art und Weise sehr gut in den Griff bekommen. Aber die Gesetzgebung von damals behindert uns jetzt beim Schließen von Kreisläufen. Es ist nämlich sehr schwer für die Industrie, etwas, das einmal als „Abfall“ deklariert wurde, wiederzuverwenden. Es wird eine große Aufgabe für die Administration sein, die Abfallgesetzgebung umzuwandeln in eine Rohstoffgesetzgebung. Da stehen wir noch ganz am Anfang. Aber es wird einen wichtigen Effekt haben.

Wir haben in unserem Gespräch über ganz verschiedene Akteurinnen und Akteure in unserer Gesellschaft gesprochen und was diese beitragen können zu Klimaschutz, Dekarbonisierung, Kreislaufwirtschaft. Wer trägt denn am meisten Verantwortung dafür, dass wir nachhaltiger werden? Die Bürgerinnen und Bürger, die Wirtschaft oder die Politik?

Wir haben eine geteilte Verantwortung – also auch ich als Einzelner habe eine Verantwortung und Einfluss. Unternehmen haben auch viel Verantwortung, sie müssen sich aber in dem Rahmen bewegen, der ihnen gegeben wird. Der Rahmen, mit dem wir die letzten 100 Jahre gearbeitet haben, passt nicht mehr. Wir haben die Erde massiv geschädigt. Deshalb hat die Politik massive Verantwortung, einen neuen Rahmen zu schaffen. Teile der Politik haben das auch verstanden, nicht zuletzt die Europäische Kommission mit dem EU Green Deal. Ich bin überzeugt davon, dass das in den nächsten Jahren und Jahrzehnten ein großer Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen Wirtschaftsräumen sein wird.

Herr Plas, zum Abschluss bitte eine Einschätzung: schaffen wir – trotz aller Komplexität und der Größe der Aufgabe - die Dekarbonisierung?

Ich bin davon überzeugt, dass man es gar nicht stoppen kann. Es ist nur die Frage, ob es schnell oder langsam kommen wird. Aber dass die Dekarbonisierung kommen wird, steht fest. Was mich zuversichtlich macht, dass wir es schnell genug schaffen, um den Klimawandel einzudämmen: In meiner Generation gab es viele Bremser, und die werden weniger. Die jüngeren Generationen sind da glücklicherweise ganz anders gestrickt.

Den ersten Teil des Interviews finden Sie hier zum Nachlesen: "Die Politik muss die Spielregeln verändern"

Den zweiten Teil des Interviews finden Sie hier zum Nachlesen: "Es ist noch kein Tsunami. Aber die Unternehmen denken um"

Dr. Christian Plas, ist Gründer und Geschäftsführer der denkstatt Gruppe, einem international agierenden Beratungsunternehmen für Nachhaltigkeit, Umwelt und Klimaschutz.

www.denkstatt.eu

Das Interview führte Falko Müller.