Geografisch
Von Hans Holzinger: Die Darstellung von Wirtschaft in Österreichs Schulbüchern für Geografie und wirtschaftlicher Bildung im Kontext von nachhaltiger Entwicklung und planetarer Grenzen.
Die Bände von Geografisch sind vom Erscheinungsdatum am aktuellsten (2024-2025). Sie enthalten daher auch die aktuellsten Zahlen, zudem gibt es zahlreiche weiterführende Links.
Das Schulbuch geht den Weg des Mutes zur Lücke. Es gibt weniger Text, die Seiten wirken aufgelockerter als in den oben besprochenen Büchern. Fachbegriffe werden gut in den Randspalten erklärt, die ebenfalls begrenzten Arbeitsaufgaben den Sachtexten nachgestellt. Ein Sachregister am Buchende ermöglicht das Auffiden von Themen. Der Bezug zur Lebensrealität der Schüler*innen wird auch hier bedingt hergestellt.
Dieses Schulbuch ist in Bezug auf die ökosystemischen Herausforderungen das ausführlichste und auch am aktuellsten Stand der Fachdiskurse. Es werden die planetaren Grenzen, die Gefahren der Klimakrise und des Biodiversitätsverlustes eindringlich beschrieben, dabei auch auf die strukturellen Ursachen der fossil getriebenen industriellen Produktionsweise verwiesen, etwa durch die Studie „The Great Acceleration“.
Der Ansatz des Postwachstums wird ausführlich dar- und dem Konzept des Grünen Wachstums gegenübergestellt. Die Notwendigkeit der Begrenzung in den reichen Wohlstandsländern wird klar benannt. Das Schulbuch erwähnt beispielsweise auch die Donut-Ökonomie von Kate Raworth,die die menschlichen Grundbedürfnisse mit den planetaren Grenzen verbindet. Verwiesen wird aber auch in diesem Schulbuch auf grünes Wachstum.
Es wird ein breites Verständnis von Arbeit verwendet, dabei ausführlich auf die Bedeutung von Sorgearbeit eingegangen. Als einziges Schulbuch thematisiert Geografisch die feministische Ökonomie. Bei Erwerbsarbeit wird auf deren Bedeutung auch für Sinnstiftung und auf ein sich wandelndes Verständnis von Leistung bei den jüngeren Generationen Bezug genommen. Als einziges Schulbuch konnotiert Geografisch Sorgearbeit bewusst geschlechtsneutral.
Bei Wirtschafts- und Sozialpolitik wird auf die Aufgaben des Staates wie auf Eigenverantwortung gepocht. Im Zentrum steht die soziale Absicherung in kritischen Lebenslagen und der Schutz vor Armut. Arbeitslosigkeit wird auch als Problem der gesellschaftlichen Ausgrenzung gesehen. Ungleichheit wird eher nur in globaler Perspektive oder in hochkapitalistischen Ländern wie den USA problematisiert, die ungleiche Vermögensverteilung wenig angesprochen. Dazu passt auch die affirmative Einladung zur Veranlagung von Geld.
Als einziges Buch kritisiert Geografisch den eurozentristischen Blick auf Entwicklung. Gesprochen wird nicht von Entwicklungszusammenarbeit, sondern von globaler Zusammenarbeit.
In Summe würde ich dieses Schulbuch nach Peukert der heterodoxen Ökonomie und nach Novy u. a. dem Leitbild des Postwachstums zuordnen, in wirtschafts- und sozialpolitischer Hinsicht einem Ansatz, der den Schutz vor Armut und Ausgrenzung mit Eigenverantwortung verbindet. Als Zielgruppe könnte man aufgeklärte, eigenverantwortliche postmateriell eingestellte Bürger*innen vermuten.