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Perspektiven

Von Hans Holzinger: Die Darstellung von Wirtschaft in Österreichs Schulbüchern für Geografie und wirtschaftlicher Bildung im Kontext von nachhaltiger Entwicklung und planetarer Grenzen.

Das Schulbuch Perspektiven versieht alle Überkapitel mit Lernzielen, in unserem Kontext z. B. „Die wirtschaftlichen Bedürfnisse der Menschen bewerten“, “Wettbewerbs- und Regionalpolitik bewerten“ (jeweils Ausgabe 5/6), „Wirtschaftsstandort Österreich beurteilen“ oder „Unternehmen und Berufsfelder analysieren“ (jeweils Ausgabe 7/8). Alle Kapitelüberschriften werden als Fragen formuliert, die einen Bezug zur Lebenswelt der Schüler*innen herzustellen versuchen, was im Text freilich nur bedingt gelingt (gelingende Beispiele sind Taschengeld, Berufsausbildung,Ferialjob, Jugendkonto, Schüleraustauschprogramme).

Es werden Wirtschaftsthemen sehr umfangreich thematisiert und eine Fülle von Wirtschaftsbegriffen angesprochen. Fachbegriffe und Fremdwörter werden jeweils erklärt. Zudem gibt es zahlreiche Links. Fallbeispiele, die häufig aus Zitaten bestehen, sowie Materialien werden in Kästen wiedergegeben, Arbeitsaufgaben als „Warm up“ bezeichnet.

Auch dieses Schulbuch ist 2017/2018 erstmals erschienen. Die mir vorliegenden Ausgaben beziehen sich auf die Neuauflage 2020 – die wiedergegebenen empirischen Daten sind somit teilweise veraltet. Am Ende der Bücher gibt es jeweils Methoden, Hinweise zu möglichen Maturathemen sowie ein Glossar.

Menschliche Bedürfnisse werden, wie in der Mainstream-Ökonomik, als „unendlich“ beschrieben, Wirtschaft als Umgang mit knappen Gütern. Anhand der Maslowschen Bedürfnispyramide werden materielle von immateriellen Bedürfnissen unterschieden. Es wird auch auf kompensatorischen Konsum sowie Konsumismus eingegangen. Lebensqualität wird breit definiert, jedoch mit Fokus auf materiellen Wohlstand. Die Konsumentenmacht wird positiv, aber auch in ihren Grenzen erwähnt.

Wirtschaftswachstum wird im Kontext des magischen Vielecks der Wirtschaftspolitik thematisiert und als notwendig für den Erhalt bzw. das Erreichen von Wohlstand bezeichnet, dabei kommen aber auch kritische Stimmen zu Wort, die auf die ökologischen Grenzen des Wachstums verweisen. Beim Bruttoinlandsprodukt wird auf die begrenzte Aussagekraft für Wohlstand eingegangen.

Ökologische Probleme werden benannt, jedoch nicht in der gebotenen Dringlichkeit. Der menschengemachte Klimawandel wird dargestellt. Die Betonung, dass dieser neben Risiken auch Chancen biete, führt jedoch tendenziell zur Verharmlosung. AuƯallend ist, dass nur der Abschied von Kohle, nicht auch jener von Erdöl und Erdgas angesprochen wird.

Bei Verteilung wird lediglich auf die global ungleichen Lebensbedingungen verwiesen. Ungleichheiten in unseren Gesellschaften werden nicht explizit angesprochen, sehr wohl aber die Rolle von Sozialpolitik sowie das Konzept der sozialen Marktwirtschaft.

Standortpolitik wird aus der Perspektive der reichen Länder behandelt – kontroverse Sichtweisen zwischen neoliberalen und sozialpolitischen Strategien werden zwar dargestellt, aber nicht erläutert. Wirtschafts- und Sozialpolitik werden sachlich dargestellt, dazu lediglich die Positionen der Parteien im österreichischen Parlament aufgezählt, ohne diese zu kommentieren. Bei der Steuer- und Abgabenquote wird auf die Auswirkungen auf die Löhne, Stückkosten und Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen verwiesen, jedoch ebenfalls ohne Kommentierung.

Das Thema Arbeit wird ausführlich behandelt, auch das Verhältnis von Beruf und Familie mit Verweis auf skandinavische Länder, die eine hohe Frauenerwerbsquote mit einer ausreichenden Geburtsrate verbinden. Interessant ist die Darstellung der historischen Entwicklung unseres Arbeitsethos, auffallend, dass Teilzeitarbeit als atypische Beschäftigung bezeichnet, anders als andere Schulbücher aber ausführlich auf das Problem von Burnout eingegangen wird. Nur knapp wird auf neue Formen der Arbeitszeit aufgrund geänderter Lebensmodelle der Menschen verwiesen.

Auch dieses Schulbuch geht von einem eurozentristischen Verständnis von Entwicklung aus, der Begriff „Unterentwickelte Länder“ wird ebenfalls verwendet. Neue Ansätze wie Postwachstumsökonomie oder Feministische Ökonomie werden nicht erwähnt.

Zusammenfassend würde ich dieses Schulbuch dem Ansatz der Mainstream-Ökonomie zuordnen, ohne klare Präferenzen für neoliberale oder wohlfahrtsstaatliche Perspektiven. Von eigenen Positionierungen wird eher Abstand genommen.

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