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Was braucht es für eine gender- und diversitätsfreundliche Arbeitskultur?

Ein Mann steht in kurzen Hosen und Tennissocken vor einem offenen Kaminfeuer, Kopfhörer in einer, Laptop in der anderen Hand.
Foto: Bruno Emmanuelle

Die Corona-Pandemie beschleunigte die Digitalisierung und Homeoffice wurde DIE Lösung für viele Unternehmen. Aber wie geht es Mitarbeiter*innen nach zwei Jahren Erfahrung und was können Unternehmen daraus lernen?

Homeoffice hat viele Vorteile, wie Flexibilität oder Unabhängigkeit. Es kann aber auch zu einer Belastung werden: Wenn sich signifikant mehr Mitarbeiter*innen krank vor den Laptop setzen, statt das Bett zu hüten, wenn Kinder in Notsituationen wie Lockdowns betreut werden müssen, oder schlicht zu wenig Platz in der Wohnung vorhanden ist. Wollen Unternehmen ihre Mitarbeiter*innen behalten, sollten sie genau hinhören und sie in die Erarbeitung von Vorgaben einbeziehen.

Stimmungsbild:
Wie wird Home Office konkret erlebt?

Die aktuelle Studie „Digitales Arbeiten in der Krise“ zeigt die Stimmung der Mitarbeiter*innen:

- Ein überwiegender Teil der befragten Personen (96 Prozent) gab an, die Möglichkeit des Homeoffice beibehalten zu wollen – jedoch mit autonomer Entscheidung, wann im Homeoffice gearbeitet wird.

- Auch das Ausmaß an Homeoffice-Zeit war Thema – gewünscht sind dabei 40 bis 60 Prozent der Arbeitszeit.

- Kritisiert wurde die unzureichende Ausstattung – also Arbeitsplatz und -material wie Computer, Bildschirm und Smartphone. Frauen bekommen, laut Umfrage, weniger oft die nötige Ausstattung als ihre männlichen Kollegen. Dabei sind Know-how und Technik-Affinität oft die Basis für gute Arbeitsleistungen im Homeoffice. Besonders Menschen zwischen 50 und 60 Jahren klagten über mangelnde Unterstützung bei der Einschulung.

- Homeoffice und Remote Work werden oft als zweitklassiges Arbeiten im Vergleich zum Arbeiten im Unternehmen gesehen. Es sind noch zu wenig Routinen dafür vorhanden. Das nichtvertraute virtuelle Arbeiten führt daher oftmals zu einem Mangel an Vertrauen auf Seiten der Arbeitgebenden und zu Rechtfertigungstendenzen bei Mitarbeitenden. „Im Hinterkopf schwingt immer mit, dass einem vorgeworfen wird, im Homeoffice nicht so zu arbeiten wie im Büro“, lautete ein Feedback. Damit rücke die Selbstverantwortung der Mitarbeitenden in den Vordergrund, und die Fürsorgepflicht der Arbeitgebenden in den Hintergrund.

- Homeoffice bedeutet oft unzählige Meetings hintereinander, ohne Zeit für soziale Kommunikation. Insbesondere Personen ohne Personalverantwortung wünschen sich aber eine bessere Kommunikation mit Vorgesetzten und Kolleg*innen. Damit zusammenhängend ist das Thema der Überstunden sehr präsent: Es reicht von „Stunden nicht aufschreiben dürfen vs. aufschreiben müssen“ bis hin zu einer gefühlten Dauer-Erreichbarkeit. Vielfach entsteht das Gefühl, dass die Menschen „in der digitalen Welt verschwinden“. Es sei wie eine Sucht. Man bleibe in der digitalen Welt. Das kann zu gesundheitlichen Problemen und – im Fall von mangelnden sozialen Interaktionen – zu Einsamkeit führen.

- Die Erfahrungen zeigen, dass Kinderbetreuung und gleichzeitiges Homeoffice fast unmöglich zu vereinen sind. Das betrifft Eltern mit Kindern unter 15 Jahren und ganz besonders jene mit Kleinkindern.

Eine Frau sitzt mit dem Laptop auf dem Schoß auf einem großen Bett, neben ihr, im Bildvordergrund, liegt ein dösender Labrador.
Foto: Bruno Emmanuelle / unsplash

Die drei wichtigsten Empfehlungen für eine gender- und diversitätsfreundliche Arbeitskultur im Homeoffice:

Empfehlung 1: Gemeinsam Regeln für das Homeoffice entwickeln. Mitarbeitende wollen ihren Arbeitsalltag mitgestalten: wie viele Meetings pro Tag, deren Länge, die Pausen dazwischen, welche Tools verwendet werden etc. Es sollte daher die Meinung aller Betroffenen, z.B. über Umfragen, eingeholt und individuelle Bedürfnisse im Team besprochen werden.

Empfehlung 2: Niemanden zurücklassen. Arbeitsmittel müssen allen Mitarbeitenden zur Verfügung gestellt werden, sowohl bei Teilzeit- als auch Vollzeitbeschäftigung, und sie müssen allen, die damit arbeiten, bekannt sein. Wenn neue digitale Tools verwendet werden sollen, müssen alle Mitarbeitenden eine Einschulung angeboten bekommen.

Empfehlung 3: Gesundheit geht auch im Homeoffice vor: Ergonomisches Arbeiten ist essenziell, die dafür notwendigen Arbeitsmittel müssen zur Verfügung gestellt werden. Kranke Mitarbeitende sollen ermutigt werden, in Krankenstand zu gehen anstatt im Homeoffice weiterzuarbeiten.

Beatrix Hausner, Elif Gül, Julia Petschinka

DAS FORSCHUNGSPROJEKT

Das Forschungsprojekt „Digitales Arbeiten in der Krise“ bestand aus einer quantitativen Online-Umfrage (584 Teilnehmende), Fokusgruppen, mehr als 20 vertiefenden Interviews und einem abschließenden Idea Lab, bei dem Mitarbeitende, Betriebsrät*innen und HR-Verantwortliche Maßnahmen und Empfehlungen formulierten. Wichtig war den Forscherinnen Beatrix Hausner (ÖGUT), Elif Gül (ÖGUT, Universität Wien), Miriam Steiner (ÖGUT), Marita Haas (Gender Consultant), Hooman Habibnia (WU Wien) und Katharina Mader (AK Wien) eine hohe Diversität der Teilnehmenden. Das Forschungsprojekt wurde vom Digitalisierungsfonds Arbeit 4.0 der AK Wien gefördert. Der gesamte Maßnahmenkatalog steht Interessierten zur Verfügung.

https://www.oegut.at/de/projekte/gender/digitales-arbeiten-in-der-krise.php