Meridiane
Von Hans Holzinger: Die Darstellung von Wirtschaft in Österreichs Schulbüchern für Geografie und wirtschaftlicher Bildung im Kontext von nachhaltiger Entwicklung und planetarer Grenzen.
Quellentexte sowie Grafiken und Bilder werden in Kästen wiedergegeben. Arbeitsaufgaben sind jeweils an das Ende der Kapitel gestellt. Zudem gibt es solche jeweils am Buchanfang zu den behandelten Überthemen. Ein Sachregister unterstützt das Inhaltsver
zeichnis. Teilweise bleiben Erklärungen abstrakt, die Lebenswelten der Schüler*innen werden nur teilweise angesprochen – etwa im Kapitel zu Werbung oder zu Berufswahl und Jugendarbeitslosigkeit. Internethinweise für weitere Informationen gibt es beschränkt – in der Regel nur bei Arbeitsaufgaben.Die empirischen Daten sind nicht ganz aktuell, was aber dem Erscheinungszeitpunkt der Bände (2017 bzw. 2020) geschuldet ist. Gerade deswegen wären mehr Links nötig.
Den Mainstream-Wirtschaftswissenschaften entsprechen Sichtweisen wie die „scheinbar unbegrenzten Bedürfnisse“ des Menschen, denen die „begrenzten Güter“ gegenüber stünden. Die Maslowsche Bedürfnispyramide dient der Unterscheidung unterschiedlicher Bedürfnisse. Die Notwendigkeit von Wirtschaftswachstum wird nicht in Frage gestellt. Denn: Wenn die Wirtschaft wächst, könnten viele Wünsche leichter erfüllt werden, darunter auch „mehr Autobahnen, mehr Umweltschutz“. Denkschulen der Heterodoxen Ökonomie wie Feministische Ökonomie, Ökologische Ökonomie oder Postwachstumsökonomie werden ebenso wenig angesprochen wie Bewegungen wie die Gemeinwohlökonomie oder Nichtregierungsorganisationen wie Südwind, Fairer Handel, Finanzwende.de oder attac.
Ökologische Herausforderungen werden zwar angesprochen, entsprechen aber nicht dem aktuellen Stand der Ökosystemforschung, sprich dem Problem der Überschreitung der planetaren Grenzen. Das Kapitel zu Energie würde beispielsweise mehr Verweise auf die von den fossilen Energieträgern wesentlich verursachte Klimakrise sowie auf die Notwendigkeit und Chancen einer erneuerbaren Energiewende erfordern. Vielmehr wird auch das 21. Jahrhundert als weiteres „Erdölzeitalter“ bezeichnet, was in Bezug auf die Klimakrise fatal wäre. Zudem werden neben Gefahren auch Chancen des Klimawandels beschrieben.
Beim Thema Arbeit könnten auch neue Arbeitszeitmodelle wie die Vier-Tage-Woche, der Ansatz der Wunscharbeitszeit oder der Arbeitsklimaindex der Arbeiterkammer angesprochen werden. Die Bedeutung von Sorge- und Hausarbeit sowie von ehrenamtlicher Arbeit werden gewürdigt – eine stärkere Hinterfragung der geschlechterspezifischen Zuordnungen und Perspektiven für die Zukunft wäre sinnvoll. Digitalisierung und Künstliche Intelligenz werden im Kontext des Wandels der Arbeitswelt thematisiert – diese Themen werden wichtiger werden.
Der Sozialstaat und die Rolle der Sozialpolitik werden – wie andere gesellschaftlich umstrittene Themen – kontrovers aufbereitet, was in einem Lehrbuch sinnvoll ist. (Zu) stark betont werden m.E. jedoch die Nicht-Mehr-Leistbarkeit des Sozialstaats in der heutigen Form und die Notwendigkeit von Reduktionen der Sozialausgaben – jenseits der unbestrittenen Notwendigkeit von Reformen, etwa im Kontext des demografischen Wandels.
Nicht bzw. kaum angesprochen wird die rapide gestiegene Zunahme der Vermögen. Ungleichheit wird lediglich im globalen Kontext thematisiert, dabei das Wording „Entwickelte versus unterentwickelte Staaten“ unhinterfragt verwendet. Im Kontext der Tragfähigkeit der Erde wird aber die Frage gestellt, ob das vorhandene Vermögen nicht dafür genutzt werden solle, die Erde als Lebensraum für alle mit ausreichender Versorgungsmöglichkeit zu erhalten.
Auffallend ist die breite Darstellung von Geld-Anlageformen, auch wenn der Großteil der Menschen über keine oder nur geringe Mittel für Anlagen verfügt (außer Instrumente wie Lebensversicherungen, Bausparverträge oder Sparbüchern, die eher abgewertet werden). Finanzcrashs werden als Gefahr benannt, die Finanzkrise von 2008 wäre aber zu thematisieren.
Bei kontroversen Themen werden a. m. S. die Schüler*innen teilweise überfordert, wenn sie sich selbst eine Meinung bilden sollen (etwa bei der Klimakrise) – auch wenn differenziertes Denken bzw. Urteilskompetenz ein wichtiges Lernziel darstellen.
In Summe würde ich das Schulbuch trotz der kontroversen Aufbereitung von Themen laut Peukert dem Mainstream-Wirtschaftsansatz, bedingt dem Neoliberalismus sowie dem marktliberalen Leitbild nach Novy u. a. zuordnen. Im globalen Kontext werden durchaus auch kritische Fragen aufgeworfen, etwa in Bezug auf Ungleichheit oder das Shareholder Value-Denken. Kritik gibt es aber auch am Wohlfahrtsstaat.