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Umfrage: Gas und Atomkraft sind nicht „grün“

Eine Umfrage der globalen Strategie- und Marketingberatung Simon-Kucher & Partners zeigt: Für Anleger sind Gas und Atomkraft nicht „grün“.

Foto: pixabay

Es rumort rund um Brüssel, seit die Europäische Kommission kurz vor Anbruch des neuen Jahres per Kurzmitteilung ihren Mitgliedsstaaten mitteilte, dass Atomstrom und Gas künftig als grüne Energien klassifiziert werden sollen. Hintergrund der Einstufung von bestimmten Gas- und Atomprojekten als nachhaltig ist die sogenannte Taxonomie der EU, die Bürger und Anleger dazu bringen soll, in klimafreundliche Technologien zu investieren, um die Klimaziele der EU zu erreichen. Zwar begrüßen bekannte Atomkraft-Befürworter wie Frankreich diesen Schritt. In anderen Ländern stößt das riskante Vorhaben jedoch nicht auf breite Zustimmung: Deutschland hat sich beispielsweise klar gegen eine Deklarierung von Atomkraft als nachhaltige Energiequelle positioniert. Österreich sprach sich ebenfalls offenkundig gegen die Vorlage der EU aus und drohte sogar – wie auch Luxemburg – gegen den Entwurf zu klagen.

Fakt ist, die neue Taxonomie hätte weitreichende Folgen für einige schwergewichtige Branchen. Darunter fällt auch die Finanzindustrie, da zu den erklärten Zielen der Maßnahme auch die attraktive Zertifizierung von Investitionen in Atomstrom und fossiles Gas als nachhaltig zählt. Viele Banken fürchten jedoch, dass Verbraucher diese Energiequellen nicht als nachhaltig ansehen. Durch den Vorstoß der EU-Kommission würde dann das Vertrauen umweltbewusster Anleger in „grüne“ Anlageprodukte nachhaltig geschwächt und der erwartete und erwünschte Boom könnte sich merklich abschwächen. Wir wollten wissen: Ist diese Sorge gerechtfertigt?

Kunden lehnen eine solche Nachhaltigkeitszertifizierung ab

Um das herauszufinden, haben wir eine Umfrage unter mehr als 1.000 potenziellen Anlegern aus der DACH-Region durchgeführt. Die Ergebnisse sprechen eine klare Sprache: Insgesamt gaben 62 Prozent der Befragten an, dass ihrer Meinung nach als nachhaltig eingestufte Finanzprodukte nicht in Atom- oder Erdgasenergie investieren sollten. Damit positioniert sich eine überwiegende Mehrheit gegen den Entschluss der EU-Kommission. Österreichische Anleger lehnen dies am deutlichsten ab: In der Alpenrepublik sprachen sich ganze 68 Prozent gegen eine grüne Einstufung von Fondsprodukten, die Erdgas- und Atomtitel im Portfolio halten, aus.

Doch welche Schlussfolgerungen sollen nach Meinung der Verbraucher die Anbieter solcher Produkte – Banken und Asset Manager – ziehen? Auch hier sind die Umfrageergebnisse ziemlich eindeutig. So würden 57 Prozent der deutschen und österreichischen Umfrageteilnehmer an der Glaubwürdigkeit ihrer Bank zweifeln, wenn diese in Atomenergie und Erdgas investierte Fonds als nachhaltig ausgibt. Am klarsten positionieren sich erneut die österreichischen Anleger: Hier würden bei mehr als 60 Prozent das Vertrauen in ihre Bank bei einem solchen Verhalten schwinden. In Deutschland wäre das bei knapp mehr als der Hälfte der Fall. Insgesamt erfährt die Befürchtung vieler Finanzexperten also ein klares kundenseitiges Echo.

Vertrauenswürdige länderspezifische Zertifikationen sind gefragt

Aktuell prüft die EU-Kommission noch die Stellungnahmen ihrer Mitgliedsstaaten. Damit ist das Thema noch nicht final verabschiedet. Jedoch gilt es als sehr unwahrscheinlich, dass die neue Verordnung gekippt wird; dafür bräuchte es eine einfache Mehrheit im europäischen Parlament. Somit obliegt die Verantwortung den Mitgliedsstaaten, vertrauenswürdige Gütesiegel zu schaffen und den Banken, ihr Produktportfolio gewissenhaft auszuweisen und transparent zu kommunizieren.