Wie Geld in die Zukunft wirkt
Nachhaltige Unternehmen brauchen eine nachhaltige Finanzierung – und Menschen, die beides zusammenbringen. Drei Nachhaltige Gestalterinnen zeigen mit innovativen Ideen im Finanzsektor, welche Wirkung Geld entfalten kann, wenn es bewusst eingesetzt wird.
Zum 18. Geburtstag bekam Madeleine Serlath ein Sparbuch von ihren Großeltern geschenkt und ging zu ihrer Bankberaterin, um das Geld anzulegen. Sie investierte in einen Energie-Aktienfonds – ein Fehler, wie sie heute weiß: „Da gab es ein extremes Klumpenrisiko, über das ich nicht gut genug aufgeklärt wurde.“ Über nachhaltige Geldanlage, die ihr heute ein Herzensanliegen und zu ihrem Beruf geworden ist, hatte sie damals nicht nachgedacht: „Im Nachhinein bin ich draufgekommen, dass ich großteils in Öl- und Gasunternehmen investiert hatte.“ Heute ist ihr klar, dass Geld eine unmittelbare Wirkung auf das Wirtschaftssystem hat – egal, ob es investiert wird oder auf einem Bankkonto liegt.
Dieses Bewusstsein und das dazugehörige Finanzwissen gibt Madeleine Serlath an andere Frauen und Personen, die sich als Frauen verstehen, weiter. Sie tut das unter anderem mit ihrem Blog „Geld Kopf Bauch“, den sie während des Studiums gegründet und während der Arbeit an der Wiener Börse und ihrer Tätigkeit im Sozialunternehmen ESG Plus weitergeführt hat. Mittlerweile bietet sie auch einen Newsletter, Workshops und Online-Kurse zu Green Finance für Einzelpersonen, Unternehmen und Vereine an. Darin geht es ums Investieren – etwa in nachhaltige Exchange Traded Funds (ETFs), also börsengehandelte Indexfonds – und darum, was die Bank mit dem Geld auf den Konten macht. Dass sie es in Form von Krediten an Unternehmen verborgt, ist vielen noch immer nicht bekannt.
Wenn Geld und Werte zusammenwirken
Im Zentrum steht für Serlath die Frage, welche Wirkung Geldentscheidungen haben – nicht nur wenn wir konsumieren, sondern auch, wenn wir sparen bzw. anlegen. Sie hilft zu verstehen, wohin das eigene Geld fließt und wie die eigenen Werte – wie Nachhaltigkeit, Klima- und Umweltbewusstsein oder Soziales – dabei nicht auf der Strecke bleiben. Auf ihrer Website ist zu lesen: „Ich helfe Frauen mit meinem Finanzwissen zu erkennen, wie viel Wirkung ihr Geld hat, um sich mit gutem Gewissen ein langfristiges Vermögen aufbauen zu können.“ Zu ihren Angeboten gehören ein Mini-Mentoring, der Online-Workshop „Green ETF Kickstarter“ oder der Mini-Onlinekurs „Green Money Compass“.
Serlaths Zielgruppe sind Frauen – aus mehreren Gründen: Nach wie vor verdienen sie im Schnitt weniger als Männer, was ein Grund dafür sei, dass sie vorsichtiger investieren. Auch hätten sie oft einen stärkeren Wertekompass, würden Finanzprodukte ganz genau verstehen und Greenwashing vermeiden wollen. Serlath hat die Erfahrung gemacht, dass Frauen sich in Gruppen mit Männern oft zurückhalten: „Ich möchte einen Safe Space schaffen, in dem alle Fragen gestellt werden können.“ Serlath sprüht vor Enthusiasmus für grüne Finanzen – und arbeitet hauptberuflich als Marketing-, Sales- und Key Account Managerin bei ESG Plus, einem auf nachhaltige Lösungen für den Finanzmarkt spezialisierten Unternehmen. Doch sie ist nicht blauäugig: „Ich glaube, dass wir nicht alle Herausforderungen der Zukunft meistern – selbst wenn alle Frauen ihr gesamtes Vermögen in nachhaltige Geldanlagen stecken. Aber je mehr Frauen selbstbewusst Finanzentscheidungen treffen und Finanzprodukte hinterfragen, desto mehr positive gesellschaftliche Veränderung wird das mit sich bringen.“
Madeleine Serlath, Gründerin Geld Kopf Bauch
Noch immer legen zu wenige Frauen ihr Geld an. Wenn sie es tun, suchen sie nach Investments mit nachhaltigem Impact. Madeleine Serlath macht nachhaltige Finanzen für Frauen – und alle, die sich als Frauen verstehen – verständlich, machbar und wirksam. In ihrem Blog, Newsletter, Workshops und ihrem Mini-Onlinekurs vermittelt sie Finanzwissen ohne Hürden: praxisnah, empowernd und konsequent nachhaltig. So gestaltet sie eine neue Geldkultur – leise stark, feministisch und zukunftsorientiert.
Die Macht der Investor*innen
Auch die Umweltsystemwissenschafterinnen Susanne Hasenhüttl und Katharina Muner-Sammer von der Österreichischen Gesellschaft für Umwelt und Technik (ÖGUT) setzen sich für Bewusstseinsbildung in Sachen grüner Geldanlage ein – sowohl auf privater als auch auf institutioneller Ebene. Muner-Sammer ortet nach wie vor eine Wissenslü>www.gruenesgeld.at, eine unabhängige Informationsplattform für ethisch-ökologische Veranlagung, die Privatinvestor*innen seit mehr als 20 Jahren einen Überblick über die Möglichkeiten nachhaltiger Geldanlage in Österreich bietet. Zum anderen richtet sich die 2015 ins Leben gerufene Weiterbildung „Nachhaltige Geldanlagen“ an Berater*innen im Bank- und Finanzsektor. Die gemeinsam mit dem Forum Nachhaltige Geldanlagen (FNG) angebotene Weiterbildung haben bereits mehr als 4000 Personen absolviert. Ein Nachfrageboost war die Regulatorik der EU-Taxonomie, die unter anderem vorschreibt, dass Kund*innen über nachhaltige Geldanlage aufgeklärt werden müssen.
Susanne Hasenhüttl begann in den frühen 2000er-Jahren, den Bereich Sustainable Finance in der ÖGUT aufzubauen. Sie entwickelte damals ein Angebot, das nach wie vor europaweit einzigartig ist: die Nachhaltigkeitszertifizierung für betriebliche Vorsorgekassen, Pensionskassen und Versicherungen. Sämtliche Vorsorgekassen, die 2003 im Zuge der Umstellung der „Abfertigung Alt“ auf die „Abfertigung Neu“ gegründet wurden, lassen seit 2004 ihre Portfolios von der ÖGUT hinsichtlich nachhaltiger Qualitätskriterien überprüfen. Laut Hasenhüttl habe sich ein österreichischer Standard für nachhaltige Veranlagung entwickelt. Im selben Jahr kam das staatliche Österreichische Umweltzeichen für nachhaltige Finanzprodukte auf den Markt, das Investmentfonds und andere Finanzprodukte kennzeichnet.
Susanne Hasenhüttl und Katharina Muner-Sammer, Sustainable Finance Expertinnen der ÖGUT
Den beiden Sustainable Finance Pionierinnen verdanken wir wichtige Initiativen im Bereich Sustainable Finance: die Nachhaltigkeitszertifizierung aller österreichischen Vorsorgekassen seit 2004 (europaweit einzigartig), die Weiterbildungen zum Thema Nachhaltige Geldanlagen und Finanzierung mit mittlerweile mehr als 4000 Absolvent*innen aus dem Bereich Banken und Finanzberatung, die Website „gruenesgeld.at“ als Basisinformation für Privatinvestor*innen. Die beiden letzteren Initiativen sind auch Element der nationalen Finanzbildungsstrategie des BMF.Freiwilligkeit ist nicht genug
Die Omnibus-Verordnung, also die jüngste Rücknahme der bürokratisch strengen Nachhaltigkeitsberichtspflichten für Unternehmen, sehen Muner-Sammer und Hasenhüttl gelassen. Hasenhüttl: „Wir haben bei diesem Thema schon viele Ups und Downs erlebt und sind gewohnt, dafür zu laufen. Wenn es einmal stagniert oder gar einen Rückgang gibt, erschreckt uns das nicht.“ Was sie aber beunruhigt, ist die immer knapper werdende Zeit, um große Probleme in den Griff zu bekommen: „Theoretisch soll Österreich in 15 Jahren klimaneutral sein. Ich kann mir nicht vorstellen, wie das gehen soll.“ Freiwilligkeit sei nicht ausreichend – die Kapitalströme müssten, wie im Green Deal der EU vorgesehen, dringend in nachhaltige Aktivitäten umgelenkt werden: „Wir brauchen Regulatorik, damit sich die Finanzindustrie und generell die Wirtschaft wirklich verändern.“
Alexandra Rotter