Beyond Carbon Energy

Herbert Hetzel, CEO, Shareholder and Founder, David Bauernfeind, Head of Project Management & Business Development, Rainer Bacher, Head of Finance & Corporate Services, Konrad Wolf, Head of Operations & Marketing, Beyond Carbon Energy Holding GmbH (BCE)

Die Energieversorgung von Immobilien verursacht einen erheblichen Anteil des – für den Klimawandel verantwortlichen – CO2-Ausstoßes. Das Unternehmen beyond carbon energy entwickelt und betreibt seit über zehn Jahren weitestgehend CO2-freie Wärme- und Kälteversorgungssysteme für Bestands- und Neubauimmobilien durch die Bereitstellung von Wärme und Kälte aus regenerativen Standortressourcen – zu marktüblichen Kosten für Developer*innen und Nutzer*innen. Per Juli 2023 wurden 26 Projekte realisiert und nach Inbetriebnahme rund 3.471 t CO2 jährlich eingespart. 28 weitere Projekte werden gerade errichtet, rund 30 befinden sich in der Entwicklungsphase.

Die Wärme- und Kälteversorgung von Immobilien ist für einen großen Teil der klimaschädlichen CO₂-Emissionen verantwortlich. Technische Lösungen um sie zu reduzieren sind seit vielen Jahren bekannt, werden aber vielfach nicht angewandt, weil zu viele einzelne Player beteiligt sind. Herbert Hetzel: „Dieser Herausforderung wollte ich mich stellen, da Liegenschaftseigentümer*innen und Immobilienentwickler*innen eine große Verantwortung haben und den Treibhausgasausstoß maßgeblich reduzieren können, wenn sie richtig entscheiden.“

beyond carbon energy hat daher einen generalistischen Business Case entwickelt und übernimmt für Neubau- und Bestandsimmobilien zusätzlich die Aufgabe als Energielieferant. So kann die beste Kombination aus CO₂-freier Wärme- und Kälteversorgung als „Stand der Technik“ etabliert werden. Aktuell wird der Wandel zusätzlich erleichtert, weil die Energieversorgung mehr und mehr den Wert einer Immobilie beeinflusst.

BUSINESSART: Was sind die Voraussetzungen, damit CO₂-freie Energieversorgung funktioniert?

Herbert Hetzel: Der Wille der Immobiliendeveloper*innen oder Liegenschaftseigentümer*innen, eine derartige Lösung umzusetzen. Dafür ist es eine qualifizierte Aufbereitung der Handlungsoptionen erforderlich. Das ist manchmal recht aufwändig.

Wie gehen Sie konkret an Ihre Projekte heran?

Da wir im Unternehmen die gesamte Wertschöpfungskette abbilden – Konzeption, Engineering, Projektumsetzung, Betrieb – analysieren wir Neubau- oder Bestandsobjekte anfangs in allen Unternehmensbereichen, um den Kund*innen einen qualifizierten und projektspezifischen Vorschlag unterbreiten zu können. Noch sind alle Projekte Prototypen. Parallel dazu entwickeln wir aber laufend Standardisierungen im organisatorischen, wirtschaftlichen, rechtlichen und technischen Bereich.

Was verstehen Sie unter „regenerativen Standortressourcen“ bzw. welche Energieversorgungssysteme kommen bei Ihren Projekten in erster Linie zum Einsatz?

Mit „oberflächennaher Geothermie“ durch Erdsonden und/oder Flachkollektoren errichten wir einen „saisonalen Energiespeicher“, welcher mit Sole-Wasser-Wärmepumpen verbunden ist. Durch entsprechende Regelung können wir diesen saisonalen Energiespeicher im Sommer (während der Kühlungsperiode) erwärmen – und im Winter damit heizen. Zusätzlich nutzen wir, wenn möglich, Grundwasser, Solarthermie, Photovoltaik und Kleinwindkraft zur Unterstützung des Gesamtsystems. Durch geeignete Anergienetze (Wärmenetze, die Gebäuden Wärme und Kälte auf sehr geringem Temperaturniveau zur Verfügung stellen. Anm. der Redaktion) können situativ zusätzlich Optimierungen und Synergien erreicht werden.

Ist die Reduktion des Energieverbrauches auch Thema bei Ihren Projekten?

Der Energieverbrauch von Immobilien ist durch die Immobilie selbst determiniert – zwar unterstützen wir jegliche Gebäudeertüchtigungsmaßnahmen, aber für unsere Art der Energieversorgung ist dies nicht zwingend erforderlich.

Sie sagen, dass Sie Ihre Projekte ohne Mehrkosten umsetzen. Wie gelingt Ihnen das?

Die Erstinvestitionskosten sind gegenüber herkömmlicher Energieversorgung recht hoch – diese tragen wir und refinanzieren uns durch den Energieverkauf an die Nutzer*innen (zu Marktpreisen). Da unser System sehr langlebig ist und sehr wenig Fremdenergie benötigt, lässt sich das wirtschaftlich darstellen – sofern man bereit ist, die herkömmliche „Sphärendenke“ zwischen Investor*in/Liegenschaftseigentümer*in versus Nutzer*in versus Energieversorger neu zu denken.

Wo steht die Immobilienbranche auf dem Weg zur Nachhaltigkeit auf einer Skala von 0 (kein einziger Schritt gesetzt) bis 10 (alles geschafft)?

In der Immobilienbranche ist es wohl kennzeichnend genug, dass wir alleine in Wien 600.000 Wohneinheiten haben, die noch fossil beheizt werden. In der Energieversorgungsbranche sehe ich viele Bemühungen Richtung CO₂-Neutralität – aber die Umsetzungsgeschwindigkeit ist nicht allzu hoch.

Was sind die drei wesentlichen Nachhaltigkeits-Herausforderungen in den beiden Branchen?

Immobilienbranche: Dekarbonisierung, leistbares Wohnen, Reduktion der Versiegelungsgeschwindigkeit

Energiebranche: Dekarbonisierung, Reduktion von Hochtemperaturversorgungen, Raumkühlung

Was sind die wichtigsten Maßnahmen, um diese zu meistern?

Systemverständnis, klare Worte hinsichtlich der Aufgabenstellung, kein „politischer Klimaaktionismus“, sondern konkrete Zielsetzungen und Regularien

Was bedeutet „gestalten“ für Sie?

Nur wenn man bereit ist, die eingetretenen Pfade der Vergangenheit zu verlassen und über den Tellerrand zu schauen, lassen sich zukunftsorientiere Lösungen „gestalten“. Ganzheitliche Problembetrachtung und generalistische Ansätze ermöglichen neue Zugänge. Jedenfalls aber heißt „gestalten“, dass man handelt und nicht nur redet.

Was lautet der Leitsatz Ihres Lebens?

Übernimm Verantwortung für das, was Du tust und für die Menschen, die sich auf Dich verlassen. Sei aufmerksam, empathisch und wertschätzend.