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In unserer Branche muss vieles neu durchdacht werden

Thomas Neuburger, Neuburger Fleischlos.

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Hasselblad H3D

Wie stark ist Ihre Branche von Corona wirtschaftlich betroffen?

Thomas Neuburger: Vorneweg muss gesagt werden, dass wir als Lebensmittelproduzent nicht für die gesamte Branche sprechen, denn wir sind nur ein Vertreter davon. Wir persönlich sind mit unserem Fleischprodukt Neuburger und unserer vegetarischen Linie HERMANN breit im Lebensmitteleinzelhandel vertreten. Auch wenn wir eine Krise haben, ist klar: Die Menschen werden immer essen.

Was durch Corona allerdings zur neuen Herausforderung wurde, war die Planbarkeit unserer Produkte. Der Ansturm auf HERMANN war während des Lockdowns so groß, dass es zwischenzeitlich zu Engpässen kam. Wir sind jedoch in der Produktion an die Zeit des Pilzwachstums von sechs Wochen gebunden, hier konnten wir bei Engpässen also nicht von heute auf morgen liefern. Das ist der derzeitige Status im Lebensmittelhandel, über die Gastronomie können wir nur wenig aussagen, da wir sowohl mit Neuburger als auch mit HERMANN nur sehr gering im der Gastronomie vertreten sind. Viele Gastronomen klagen, weil mehr zu Hause gegessen wird. Das ist jedoch eine Tatsache, die wir kaum zu spüren bekommen.

Wie geht es Ihrem Unternehmen im Vergleich zu anderen in der Branche?

Thomas Neuburger: Auch diese Frage können wir nur aus unserer subjektiven Sicht beantworten. Bisher haben wir die Krise gut überstanden. Mit Sicherheit auch deshalb, weil wir auf Regionalität setzen. Wir verwenden bei unseren Produkten vorwiegend regionale Rohstoffe und sind daher nicht auf Zulieferer aus der Ferne angewiesen. Unsere Rohstoffe waren also jederzeit verfügbar – mit Lieferschwierigkeiten waren wir nie konfrontiert. Das ist sicher ein Punkt, durch dem wir im Vergleich zu anderen in der Branche im Vorteil waren.

Hat die nachhaltige Positionierung zu einer besseren Position beigetragen oder hat sie die Krise verstärkt?

Thomas Neuburger: Unsere nachhaltige Positionierung hat sich in der Krise bewährt, vor allem, weil wir auf Regionalität setzen. Wir achten speziell darauf, autark zu arbeiten, also wirtschaftlich von anderen unabhängig zu sein. Was uns positiv aufgefallen ist, ist die Tatsache, dass während der Krise viele Österreicher*innen ein Bewusstsein für regionale Lebensmittel entwickelt haben – zumindest ist es das, was die Leute sagen. Was tatsächlich in den Einkaufswagen kommt, ist dann doch noch einmal etwas Anderes. Wir Menschen greifen eben gerne zu Bekanntem. Nichtsdestotrotz sind wir durch unsere Positionierung – und die ist klar nachhaltig – gut aufgestellt.
Die große Frage ist jedoch, wie sich die Corona-Krise auf den Gesamtkonsum auswirkt. Geht der Gesamtkonsum nach unten, trifft es die Lebensmittelbranche natürlich auch, aber später als andere. Man verzichtet eher auf ein neues Auto oder auf einen Urlaub, als auf Lebensmittel, auf die man auch im Normalfall zugreift. Dieses Phänomen werden wir aber erst in den nächsten Monaten wahrnehmen.

Was muss sich ändern, damit in Ihrer Branche eine derartige Krise besser bewältigt werden kann?

Thomas Neuburger: Der Lebensmitteleinzelhandel übt einen derart starken Preisdruck aus, den viele nicht überleben werden. Als Unternehmer achtet man besonders auf die Qualität seiner Produkte, auf Regionalität und Nachhaltigkeit. Wenn der Preisdruck immer größer wird, wird der unternehmerische Spielraum immer kleiner. Und da reden wir nicht von Gewinn, sondern da geht es lediglich um Luft zum Atmen.

Ein Ansatz ist, dass man als Lebensmittelhersteller gemeinsam mit dem Lebensmitteleinzelhandel für mehr Bewusstsein bei den Konsumenten sorgt. Eine gelungene Bewusstseinsbildung würde für Verständnis und Zustimmung sorgen, dass Bio-Produkte und nachhaltige Produkte einfach mehr kosten, weil im Hintergrund vieles anders läuft – von regionalen Zulieferern über eine biologische Anbauweise bis hin zu recycelbarer Verpackung. Konsumenten greifen aber oftmals zu Vergünstigungen. Das macht es für Unternehmen mit nachhaltiger Positionierung noch schwieriger, dem Preisdruck standhalten.